Hochgebirge (Alpinum)

Alpinum
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„Alpinum“ ist die gärtnerische Bezeichnung für einen Steingarten.

Man findet dort grundsätzlich alle alpinen Pflanzenarten unserer Erde, soweit sie gärtnerisch für eine Kultivierung in Frage kommen. 

Alpin“ dagegen ist die pflanzengeografische sowie ökologische Bezeichnung für das Vorkommen in der Hochgebirgsstufe, d.h. in dem Bereich zwischen der Baumgrenze und der Schneegrenze, jenseits derer kein pflanzliches Leben mehr existiert. Dem Begriff „alpin“ muss „alpisch“ gegenübergestellt werden. „Alpisch“ bezieht sich auf das im südlichen Mitteleuropa liegende Hochgebirge, die Alpen, und ist somit ein topografischer (landschaftsbeschreibender) Begriff, der alle Alpenpflanzen meint, deren Hauptvorkommen in eben diesem Gebirge zu finden ist.

Das Alpinum (der Steingarten) im Frankfurter Botanischen Garten hat ein gemeinsames Merkmal mit allen anderen Anlagen dieser Art im Tiefland, gleich wo: es bietet nicht die Bedingungen, die im alpinen Raum herrschen und die auf das Wachsen und Gedeihen der alpinen Pflanzen in besonderer Weise einwirken. Welches sind nun diese besonderen Bedingungen? 

  1. Als erstes ist hier die Temperatur zu nennen. Diese nimmt mit steigender Meereshöhe ab, während Frostperioden zunehmen. Extreme werden ausgeprägter, d. h. im Frühling und im Herbst ist ein ostwechselklima mit großen Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht die Regel. Hinzu kommt eine oft lang anhaltende Schneebedeckung, so dass insge41 samt eine deutliche Verkürzung der Vegetationszeit festzustellen ist.
  2. Der Wechsel der klimatischen Faktoren findet sehr häufig und oft in schroffer Form statt. Die gewohnte Abfolge der Jahreszeiten fehlt: einem sehr langen Winter folgt eine kurze, höchstens drei Monate dauernde Phase, in der Assimilation und damit Produktion pflanzlicher Biomasse möglich ist. Diese Zeitspanne entspricht den Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst in einem. Dabei besteht immer die Möglichkeit eines Frosteinbruchs, selbst im alpinen „Hochsommer“. 
  3. Das Hochgebirgsklima ist ein Strahlungsklima, d. h. bei Tag findet eine gegenüber dem Tal stärkere Einstrahlung und bei Nacht eine stärkere Ausstrahlung statt.  Die UV-Strahlung ist bei Schönwetterlagen deutlich erhöht, was z. B. die Kleinwüchsigkeit vieler Hochgebirgspflanzen im Unterschied zum Anbau derselben Arten im Flachland erklärt. 
  4. Der Wind weht weitaus stärker und häufiger, je höher man sich in den Bergen befindet. Er wirkt direkt auf die Pflanzen ein, z. B. durch mechanische Schädigungen infolge Sand- oder Eisschliffs und vor allem indirekt, indem er den Schnee im Gelände verteilt. Diese Verteilung beeinflusst sehr massiv die Vegetationsmuster im Gebirge. 
  5. Schließlich fallen als weitere Faktoren die Exposition – mit zunehmender Meereshöhe wird der Unterschied in der Wärmesumme zwischen nord- und südexponierten Hängen immer drastischer – und der Boden – tiefe Bodentemperaturen bedingen verzögerten Nährstofffluss infolge gehemmter Mikroorganismentätigkeit – ins Gewicht.

Die Pflanzen alpiner Regionen reagieren auf die geschilderten Bedingungen mit besonderen Anpassungen, z. B. Polsterbildung, starker Behaarung oder Zwergwuchs. Viele alpine Pflanzen lassen allerdings ihre charakteristischen Ausprägungen im Tiefland vermissen, da die Bedingungen gänzlich anders sind als am Naturstandort. Im Alpinum lassen sich daher nicht unbedingt realistische Verhältnisse bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes der Pflanzen erleben, da z. B. die Wuchsgrößen differieren. Trotz dieser Problematik kann eine alpine Steingartenanlage einen Eindruck von der Vielfalt und Form der Hochgebirgsvegetation vermitteln. 

Im Frankfurter Alpinum sind ca. 800 verschiedene Farn- und Blütenpflanzen alpiner, in diesem Falle europäischer Gebirge, vorhanden. 

Ursprünglich war außer der Trennung in die Ausgangsgesteine (Kalk und Silikat oder umgangssprachlich Urgestein) eine geografische (Pyrenäen, SO-Europa, Apenninen, Kaukasus) und eine ökologische (Wald, Knieholz, Rasen, Blockhalde, Felsspalten) Unterteilung deutlicher als heute zu erkennen. Das Alpinum gliedert sich nunmehr in Kalk- und Silikatgestein sowie einen Bereich „Kaukasus“ (siehe 5.5). Florenelemente wie z. B. die 42 der Pyrenäen finden sich an unterschiedlichen Standorten und nicht in klar definierten Parzellen des Alpinums. Schlechter werdende Standortbedingungen, z. B. stärkerer Baumdruck, sind hierfür die Ursachen. Auch ökologisch- soziologisch eindeutig definierte Bereiche gibt es nur vereinzelt, beispielsweise einen kleinen Bürstlingsrasen (Nardetum) oder Felsspaltenfluren in den kunstvoll aufgeschichteten Gesteinsblöcken.

Hochgebirgspflanzen auf Silikat:

Auf saurem Ausgangsgestein findet sich häufig die Zirbe oder Arve (Pinus cembra), an der Waldgrenze meist zusammen mit der Europäischen Lärche (Larix decidua). Beide Baumarten sind aber keine „Silikatbäume“, sondern bezüglich des Ausgangsgesteins eher nicht wählerisch. Ihre Dominanz in diesen Bereichen liegt vielmehr an ihrer Resistenz dem rauen Klima gegenüber, wodurch sie der Fichte oder der Tanne überlegen sind. Kalkmeidend ist demgegenüber die Drüsige Primel (Primula hirsuta), eine Vertreterin der Silikat- Felsspaltenfluren. Auch die Bart-Glockenblume (Campanula barbata), die bevorzugt feucht-saure Magerrasen und Zwergstrauchheiden besiedelt, ist im Kalkgestein kaum anzutreffen.

Hochgebirgspflanzen auf Kalk

In oft riesigen Flächen findet man in den Kalkgebieten, z. B. der Ostalpen, undurchdringliche Latschengebüsche aus der Krummholz-Kiefer oder Legföhre (Pinus mugo), vor allem an der Waldgrenze. Auch hier ist wie bei der Zirbe die Überlegenheit ihrer Wuchseigenschaften in solchen Extremlagen der Grund. Sie kommt aber auch auf Silikat und in Hochmooren vor. Ausschließlich auf kalkreichen Standorten wächst als Pionier und Erstbesiedler, beispielsweise auf Felsschutt, die Silberwurz (Dryas octopetala), die als Teppichstrauch mit niederliegenden Trieben und dichtfilzigen, immergrünen Blättern bestens an alpine Extremlagen angepasst ist. Auch der Platanenblättrige Hahnenfuß (Ranunculus platanifolius), eine in Hochstaudenfluren anzutreffende, weiß blühende und über 100 cm groß werdende Art, ist kalkliebend.